Netzausbau
Verteilnetze sind von der Energiewende in besonderem Masse betroffen, da die Einspeisung von Strom aus Wind und Sonne zum Grossteil dezentral in der Nieder- und Mittelspannungsebene erfolgt. Durch die hohen installierten Leistungen der Erneuerbaren können in den hauptsächlich auf einen unidirektionalen Leistungsfluss von der Hochspannungsebene zum Verbraucher ausgelegten Netzen neue und oft auch höhere Belastungen auftreten. Durch den Erneuerbaren-Zubau bedingter Netzausbaubedarf wird nicht überall zu vermeiden sein, kann aber stellenweise schon durch vergleichsweise kleine Eingriffe in den Netzbetrieb verhindert oder verzögert werden, was die Gesamtkosten senkt. Strategien zum Lastmanagement (Demand Side Management, DSM), die das Netz entlasten können, können dabei eventuell davon profitieren, auf eine grössere Anzahl Elektrofahrzeuge als steuerbare Lasten zurückgreifen zu können. Es wird davon ausgegangen, dass Elektrofahrzeuge zunächst vor allem in vorstädtischen Niederspannungsnetzen angeschlossen werden. Dies liegt vor allem daran, dass Elektrofahrzeuge in den kommenden Jahren aufgrund der begrenzten Akkukapazität insbesondere auf Kurz- bis Mittelstrecken eingesetzt werden. Eine grosse Zielgruppe stellen daher im vorstädtischen Bereich wohnhafte Berufspendler dar. Vorstädtische Niederspannungsnetze sind meist Strahlennetze oder offen betriebene Ringnetze (im Betrieb unterscheiden sich die beiden Versionen nicht) und bereits relativ stark ausgelastet. Diese Netze zeichnen sich durch einen von Haushalten geprägten Lastgang und einer von PV dominierten EE-Einspeisung aus. Photovoltaikanlagen sind in Deutschland zum grössten Teil als dachmontierte Kleinanlagen (1–100 kWp) in Privatbesitz ausgeführt, die an das Niederspannungsnetz angeschlossen sind. Grössere PVAnlagen, wie beispielsweise Dachanlagen grösserer Industriebetriebe und geschäftlich genutzter Gebäude oder Freiflächenanlagen (Solarparks), können auch an das Mittelspannungsnetz angeschlossen werden. Biogas-Blockheizkraftwerke sind in der Regel mit dem Mittelspannungsnetz verbunden, grössere Biomassekraftwerke, die beispielsweise mit Holzhackschnitzeln befeuert werden, auch mit dem 110kV-Netz. Positive Effekte in den Verteilnetzen sind bei an den Börsenpreis oder die Erneuerbaren-Einspeisung gekoppelten Ladestrategien nicht grundsätzlich zu erwarten, da diese nicht unbedingt eine Ladung mit lokal verfügbarem EE-Strom garantieren. Gerade für die Niederspannungsnetze kann eine solche Kopplung kontraproduktiv sein, da zum Beispiel gerade billig verfügbarer Windstrom zu einem verstärkten Laden während der Abendlastspitze führen kann, wodurch lokale Überlastungen entstehen.
Die Herausforderungen, die durch den steigenden Anteil an Erzeugungsanlagen in den Verteilnetzen entstehen, sind vielfältig und von Spannungsebene und Netztopologie abhängig. Die meisten Probleme entstehen in Nieder- und Mittelspannungsnetzen, die ursprünglich als reine Verbrauchernetze ausgelegt sind, während die 110-kV-Netze, in die auch vor dem Aufkommen der erneuerbaren Energien schon Kraftwerke einspeisten, weitgehend unproblematisch sind. Vor allem ländliche Verteilnetze sind von durch Einspeisung bedingten Problemen betroffen, da der Grossteil der erneuerbaren Erzeuger dort installiert sind, während die Last eher niedrig ist und die Netze dementsprechend schwächer ausgelegt sind als im städtischen Bereich. Blindleistungseinspeisung (kapazitives Verhalten) stützt die Spannung, während Blindleistungsbezug (induktives Verhalten) sie senkt. Die Umrichter moderner PV- und Windkraftanlagen können so eingestellt werden, dass bei Wirkleistungseinspeisung gleichzeitig Blindleistung bezogen wird, die Anlagen sich also induktiv verhalten und der durch die Wirkleistung bedingten Spannungsanhebung entgegen wirken. Elektrofahrzeuge können unter bestimmten Umständen auf verschiedene Art und Weise zur Netzstabilisierung beitragen. Zunächst stellen sie aber lediglich einen Zuwachs der Last dar, der bei ungesteuerter Ladung auch noch grösstenteils zu Zeit der abendlichen Spitzenlast ans Netz geht. Hier stellt sich die Frage, ab welchem Anteil ungesteuert ladende Elektrofahrzeuge zur Verschärfung der Problematiken beitragen, also das Netz aufgrund der höheren Last und der stärkeren Lastfluktuation ausgebaut werden muss. Am Hausanschluss kann mit 2–3,7 kW einphasig oder bis zu 11 kW dreiphasig geladen werden, was für eine nächtliche Ladung der momentan üblichen 20-kWh-Akkus ausreichend ist. Mit steigender Akkukapazität können höhere Ladeleistungen aber sinnvoll werden, mit entsprechendem Anschlussausbau können 44 kW pro Hausanschluss erreicht werden. Ab etwa 7 kW Ladeleistung bewirkt eine weitere Erhöhung der Ladeleistung allerdings nur noch einen geringen Anstieg der Spitzenlast, da durch die kürzeren Ladezeiten bei hoher Leistung die Gleichzeitigkeit der Ladevorgänge niedriger ist.
Das deutsche Elektrizitätsversorgungssystem besteht aus den Übertragungsnetzen der Höchstspannungsebene (220 und 380 kV) und den Verteilnetzen. Diese bestehen aus Verteilnetzen auf Hochspannungsebene (110 kV), Mittelspannungsnetzen mit 10 und 20 kV und den Niederspannungsortsnetzen mit 0,4 kV. Mittelspannungsnetze sind üblicherweise nicht vermascht, sondern als Strahlen- oder Ringnetze ausgeführt. Niederspannungsnetze werden über Ortsnetztransformatoren mit einer Nennscheinleistung zwischen 50 kVA und 800 kVA und einem festen Übersetzungsverhältnis gespeist. Nieder- und Mittelspannungsnetze sowie ein Teil der 110-kV-Netze sind für einen unidirektionalen Leistungsfluss von den Erzeugern in der Hoch- und Höchstspannungsebene zu den Verbrauchern in der Niederspannung ausgelegt. Im klassischen Energieversorgungssystem speisen grosse Kraftwerke hauptsächlich auf Hoch- und Höchstspannungsebene ein. Die Übertragungsnetze und ein Teil der 110-kV-Netze, die teilweise auch als regionale Übertragungsnetze fungieren, transportieren die Energie in die Nähe der Verbraucher. Die Verteilnetze verteilen die elektrische Energie dann an die Endverbraucher, wobei die 110-kV-Netze für die regionale Grobverteilung sorgen und Mittelspannungsnetze mit 20 kV ländliche Gebiete versorgen. Im städtischen Bereich ist die Mittelspannungsebene in der Regel mit 10 kV ausgeführt. Von den Mittelspannungsnetzen gehen dann über Trafos die einzelnen Ortsnetze mit 400 V ab, die einzelne Dörfer und Strassenzüge versorgen. Entsprechend gibt es Strahlen-, Ring- und Maschennetze, die im ländlichen Bereich meist als Freileitungen, in Ballungsgebieten aber auch verkabelt ausgeführt sind. Die Spannung wird über Stelltransformatoren und Beeinflussung der Blindleistungsbilanz, oft durch die angeschlossenen Kraftwerke, geregelt. Ein Teil der Grosskraftwerke und einige grosse Windparks speisen direkt in die 110-kV-Ebene ein.
Neben Netzausbau und Abregelung kann auch verstärkt lokale Abnahme des erzeugten Stromes thermische Überlastungen vermeiden. Dies kann entweder durch steuerbare Lasten (Demand Side Management) oder, besonders bei PV-Anlagen, durch Eigenverbrauchsspeicher geschehen. Eigenverbrauchsspeicher müssen, um zur Netzentlastung beizutragen, jedoch netzoptimiert geladen werden. Eine Auslegung der Ladesteuerung auf eine Maximierung des Eigenanteils hätte zur Folge, dass der Ladevorgang direkt mit Beginn der PV-Einspeisung beginnt und der Speicher zum Zeitpunkt der höchsten Einspeisung bereits komplett geladen ist. Ein Einsatz des Speichers zur Spitzenkappung mit Ladung zur Mittagszeit kann das Netz hingegen deutlich entlasten, zum Preis einer eventuell niedrigeren Speicherauslastung. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit die Akkumulatoren der Fahrzeuge gesteuert zu laden und daher diese als steuerbare Lasten zu verwenden. Diese steuerbaren Lasten können beispielsweise dazu genutzt werden, lokal überschüssigen PV-Strom aufzunehmen, um thermische Überlastungen und Spannungsprobleme zu vermeiden. Darüber hinaus wäre es auch technisch möglich, einen Vehicle-togrid-Betrieb zu realisieren, bei dem die Fahrakkus zu Spitzenlastzeiten oder zur Bereitstellung von Regelleistung ins Netz zurück speisen können. Damit erfüllen sie neben der Funktion als Fahrakku auch die als Netzspeicher zum Ausgleich von Fluktuationen in der Einspeisung erneuerbarer Energien. Ebenso können auch die Umrichter, die die Fahrakkus speisen, Blindleistung beziehen oder bereitstellen und damit die Spannung regeln. In Hinblick auf den Klimaschutz ergibt der Einsatz von Elektrofahrzeugen vor allem dann Sinn, wenn deren Strombedarf bilanziell vor allem durch erneuerbare Energien gedeckt wird.
Werden Elektrofahrzeuge ungesteuert geladen, so führt dies sowohl lokal (thermische Überlastung der Leitungen, Spannungsabweichungen) als auch global (Erhöhung der systemweiten Spitzenlast) durch das Zusammenfallen mit der abendlichen Spitzenlast zu Problemen. In vorstädtischen Niederspannungsnetzen kann beispielsweise durch den Anschluss eines Elektrofahrzeuges in jedem fünften Haushalt die maximale Netzlast um 50 Prozent steigen, was bei schwach ausgelegten Netzen schon zu Überlastungen von Leitungen und Transformatoren führen kann. Das Ausmass der Lasterhöhung ist sowohl von der Anzahl der Elektrofahrzeuge als auch von der Ladeleistung abhängig. Ab etwa 7 kW Ladeleistung bewirkt eine weitere Erhöhung der Ladeleistung allerdings nur noch einen geringen Anstieg der Spitzenlast, da durch die kürzeren Ladezeiten bei hoher Leistung die Gleichzeitigkeit der Ladevorgänge niedriger ist. Dieser Effekt ist jedoch auch von der steigenden Akkukapazität abhängig. Thermische Überlastungen können zum grössten Teil durch intelligente Ladestrategien gelöst werden, in den untersuchten Projekten konnte bei Verwendung solcher Strategien in der Regel jeder Haushalt mit einem Elektrofahrzeug ausgestattet werden, ohne lokale Netzüberlastungen zu verursachen. Allerdings entstehen eventuell zusätzliche Konflikte. Die Lösung globaler Problematiken (Ausgleich von EE-Erzeugung und Verbrauch) kann lokale Probleme (Netzüberlastung) verschärfen, und umgekehrt. Während PV-Einspeisung tagsüber zu Erhöhung der Spannung im Niederspannungsnetz über den zulässigen Wert von 1.1 p.u führen kann, kann die zusätzliche Last durch ladende Elektrofahrzeuge zu anderen Tageszeiten zur Unterschreitung der minimalen zulässigen Spannung von 0.9 p.u. führen. Diese Problematik kann durch Blindleistungsregelung der Erzeuger und der Elektrofahrzeuge grundsätzlich auch ohne intelligente Ladestrategie reduziert werden. Dabei wird vom zur Ladung benötigten Umrichter Blindleistung bereitgestellt oder bezogen und so die Spannung beeinflusst. Dies ist auch unabhängig vom Wirkleistungsbezug möglich, womit eine solche Funktionalität auch zum Ausgleich nicht durch das Elektrofahrzeug selbst bedingter Spannungsabweichungen genutzt werden kann. Bei herkömmlichen AC-Ladestationen ist der Umrichter im Fahrzeug selbst verbaut, womit er nur zur Spannungsregelung genutzt werden kann, wenn das Fahrzeug sich an der Ladestation befindet. DC-Ladestationen haben einen eigenen Umrichter und können somit unabhängig von der Verfügbarkeit der Elektrofahrzeuge zur Spannungshaltung genutzt werden. Diese ist jedoch durch intelligente Ladestrategien und Netzregelung durch die Ladestationen in den Griff zu bekommen und steht somit zumindest dem ErneuerbarenAusbau nicht im Weg. Allerdings ist bei der Wahl der Ladestrategie die Zielsetzung zu beachten und abzuwägen, wann und wo Netzausbau akzeptabel bzw. unvermeidbar ist, damit Netzprobleme nicht lediglich auf die nächst höhere (oder niedrigere) Spannungsebene verlagert werden.
Hausanschlüsse können ein- oder dreiphasig ausgeführt werden. Einphasig ist die Ladeleistung in der Regel auf 3,7 kW limitiert , was bei einer derzeit durchschnittlichen Akkukapazität von 20 kWh zu einer Ladedauer bis zu 5 Stunden führt und diese Anschlussart somit vor allem für die nächtliche Ladung von Privatfahrzeugen geeignet macht. Dreiphasig kann eine Ladeleistung von 11 kW realisiert werden, wodurch die Ladung des Fahrakkus in unter 2 Stunden möglich wird. Höhere Ladeleistungen sind theoretisch ebenfalls möglich, erfordern aber eine Verstärkung der vorhandenen, für die Nutzung durch den Haushalt (max. 3,7 / 11 kW) ausgelegten Hausanschlüsse und deren Schutzsysteme. Eine Ladeleistung von 22 kW, mit der der Fahrakku in weniger als einer Stunde geladen werden kann, kann oft mit wenigen Anpassungen erreicht werden. Höhere Ladeleistungen werden in Zukunft neben der Möglichkeit zur Schnellladung insofern an Bedeutung gewinnen, als dass auch die Akkukapazitäten der Fahrzeuge steigen werden. Die gleichen Limitierungen gelten für einzelne öffentliche Ladesäulen, die beispielsweise in Parkzonen an das Niederspannungsnetz angeschlossen sind. Darüber hinaus wäre es aber möglich, mit direkt an das Mittelspannungsnetz angeschlossenen Schnellladestationen deutlich höhere Leistungen zu erzielen, mit denen ein Fahrakku innerhalb weniger Minuten geladen werden kann. Werden Ladesäulen in Parkzonen, beispielsweise in Parkhäusern oder am Arbeitsplatz, so gepoolt, dass ein eigenes Niederspannungsnetz dafür installiert werden muss, sie also quasi direkt an die Mittelspannung angeschlossen sind, lassen sich ebenfalls höhere Ladeleistungen erzielen. Während Hausanschlüsse in der Regel mit der vorhandenen Infrastruktur betrieben werden, ist gerade bei Schnellladestationen oder grösseren Ansammlungen von Ladesäulen der Neubau von Netzen meist notwendig.
Neben der unterschiedlichen Leistung der Anschlüsse wird derzeit die Unterscheidung zwischen ACund DC-Ladung diskutiert. Die Bezeichnung ist an sich unpräzise, da die Fahrakkus bei beiden an ein Wechselstromnetz angeschlossen werden und der Ladestrom dann gleichgerichtet wird. Der Unterschied besteht in der Installation des Umrichters. Bei den heutzutage vorherrschenden ACVerfahren ist er im Fahrzeug selbst installiert, während sogenannte DC-Ladestationen selbst über einen Umrichter verfügen. Die Kosten des Umrichters werden vom Fahrzeug auf die Ladestation verschoben, was bei Heiminstallationen keinen Unterschied macht, bei einem flächendeckenden öffentlichen Netz an Ladestationen jedoch sinnvoll sein könnte. Der Vorteil dabei ist die hohe Nutzerakzeptanz und gute Planbarkeit, das Fahrzeug ist nach einer definierten Zeit fertig geladen und verfügbar. Allerdings fällt aufgrund der Tatsache, dass die meisten Fahrzeuge gegen Abend wieder an ihrem Standort ankommen und dort geladen werden, der grösste Teil der Ladeleistung in die frühen Abendstunden und damit in eine Spitzenlastzeit. Übergeordnete Problematiken („Kohleauto“, Engpässe im Übertragungsnetz) werden aber nicht beachtet. Je nach Anteil, Lokalisierung und Ladestrategie haben Elektrofahrzeuge sowohl das Potential, durch die Einspeisung erneuerbarer Energien verursachte Netzprobleme zu verhindern, als auch diese zu verschärfen oder neue Probleme zu verursachen. Generell wird bei grösseren Netzen, ohne Elektrofahrzeuge, von einer geringeren Gleichzeitigkeit des Verbrauchs ausgegangen.
Da intelligente Ladeinfrastruktur oft ohnehin notwendig werden wird, um hohe Anteile an Elektrofahrzeugen in die Netze integrieren zu können, können die entsprechend ausgerichteten Fahrzeuge unter bestimmten Umständen auch einen Beitrag zur Integration von erneuerbaren Energien in die Verteilnetze leisten. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ab welchem Anteil an Elektrofahrzeugen entsprechende Effekte erzielt werden können, und ab welchem Anteil die Lade- und Blindleistungssteuerung schon allein durch das Management der Ladevorgänge komplett ausgelastet ist. Verteilnetze sind von der Energiewende in besonderem Masse betroffen, da die Einspeisung von Strom aus Wind und Sonne zum Grossteil dezentral in der Nieder- und Mittelspannungsebene erfolgt. Dies führt oft zur Verletzung von Betriebsgrenzen durch zu hohe Lastflüsse oder abweichende Spannung, und damit zu Ausbaubedarf in den hauptsächlich auf einen unidirektionalen Leistungsfluss von der Hochspannungsebene zum Verbraucher ausgelegten Netzen.
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